1901-1936 - Die erst(en) Büsumer Werft(en)

Die Geschichte der Büsumer Werften hängt im wesentlichen mit der Geschichte bzw. der Entwicklung des Büsumer Hafens zusammen. Der erste Büsumer Hafen wurde, wie archäologische Funde zeigen, ca. 1000 v. Chr. im Bereich der heutigen Alleestrasse/Hafenstrasse angelegt.

Um 1720 entstand das heutige Hafenbecken I.
Im Jahre 1885 führte der Störfischer Wilhelm Külper das Fischen mit Netzen aus Segelbooten in Büsum ein. Daraus entwickelte sich relativ schnell die Kutterfischerei - bereits 1895 betrieben 12 Boote auf diese Art und Weise den Krabbenfang. Daraus ergab sich schnell der Bedarf an einer Reparaturmöglichkeit in Büsum - bislang wurden Reparaturen durch "trockenfallen lassen" bei Niedrigwasser durchgeführt. So konnten allerdings nur kleinere Reparaturen durchgeführt werden, die die Dauer einer Tide nicht überstiegen.

In seiner Generalversammlung vom 10. Januar 1902 beschloss daher der Büsumer Fischereiverein einen "Antrag an das Kirchspiel um Überlassung eines Grundstücks am Hafen zwecks Anlegung eines Hellings" zu stellen. Diesem Antrag wurde im März stattgegeben. Diese erste Büsumer Werft befand sich auf dem Gelände des heutigen Tonnenhofes und wurde vom Schiffszimmermann Albers betrieben.

1903 übenahm das "Ministerium der öffentlichen Arbeiten" des preußischen Staates den Hafen.

1905/1906 - wurde das Hafenbecken vergrössert und mit dem Bau des Hafenbeckens II begonnen, dass vor allem als Liegeplatz für die grösseren, dem Schollenfang dienenden Schiffen vorgesehen war. Bis 1910 wurden auf der Werft Boote und kleine Kutter ohne Motorantrieb gebaut.


21.01.1911 - Der erste Motorfischkutter "Seerose" läuft vom Stapel.

1912/1913 wird der Leuchtturm errichtet. Die Farbgebung war bis nach dem 2. Weltkrieg schwarz, erst später wurde er in der heutigen rot-weißen Farbkennung lackiert. 

1914 wird eine Maschinenwerkstatt gebaut und mit den nötigen Maschinen ausgestattet.

1921 verkauft Albers die Werft an Kramer, Vagt und Beckmann, Kramer und Vagt waren Flugzeugtechniker, Beckmann war Schiffszimmermann.

1925 - Der neue Hafen war in Richtung Osten nur durch ein hölzernes Bollwerk gesichert, diese Massnahme reicht nicht aus, daher wird die "neue Insel" (heute "Hafeninsel" zwischen Hafenbecken II und III) aufgeschüttet. Diese Insel wurde durch eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden.


1926 zieht die Werft auf die Hafeninsel um (der Standort war in etwa da, wo heute die Wasserschutzpolizei untergebracht ist). Als erstes Schiff läuft dort "BÜS 69 - Seeschwalbe" vom Stapel.

1927 wird die alte Werft abgerissen und zum Tonnenhof. Auf der neuen Werft läuft die "Feuerland", ein Expeditionsschiff für Günter Plüschow (der "Flieger von Tsingtau") am 11.10. vom Stapel. Finanziert wird das Schiff, dass für eine Weltumsegelung vorgesehen ist, vom Ullstein Verlag. Die Taufrede hält Dr. Karl Ullstein aus Berlin. Am 24.11. läuft die "Feuerland" nach einem Gottesdienst unter Glockengeläut aus.

1928 - Zwei weitere Motorfischkutter laufen vom Stapel

1929 - Die Werft wird in die "Kramer und Vagt GmbH" umgewandelt. Es werden unter anderem 2 Motorbarkassen für die Kriegsmarine abgeliefert. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise gehen nur noch Reparaturaufträge ein.


1930 lief der erste Hochseefischkutter "Klaus Groth" vom Stapel.
Die Werft sollte am 03.06. verkauft werden, dies gelang allerdings nicht.
Am 12.06 wurde gegen die Werft ein Konkursverfahren eingeleitet. Die Schiffzimmerer Albers, Gerlach und Mahnsen pachteten die Werft und führten sie als reinen Reparaturbetrieb.

1932 - Am 02.07 kaufte Ing. Köhn aus Lauenburg die Werft für 3000,- Reichsmark und pachtete das Gelände vom Staat. Am 03.09. nahm die Werft ihren Betrieb wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Fischereiflotte in Büsum 130 Kutter, eine Anzahl, die nie wieder erreicht wurde.

1933/1934 - Für Büsumer Fischer werden die Kutter "Iltis", "Henny", "Admiral Scheer" und "Nordseeluft" gebaut.

1935/1936 - Die Werft kämpft wieder einmal um ihr Überleben, Aufträge blieben aus.

1936-1963 - Die Büsumer-Schiffswerft W.&E. Sielaff

1936 - Am 15.03 kauft der Hamburger Schiffbaumeister Wilhelm Sielaff die Büsumer Werft für 7000 RM und übernimmt den Pachtvertrag für das Gelände, bereits am 01.04. nimmt er den Betrieb auf. Bis zu diesem Zeitpunkt baute Sielaff Kajaks und Sportboote auf seiner Hamburger Werft. Der Kontakt nach Büsum kam zustande, weil seine Frau Emmi eine gebürtige Büsumerin war. Sielaff baut eine moderne Querslipanlage - die erste an der Westküste und die Maschinenhalle wird mit neuen Maschinen ausgerüstet. Das erste Schiff, das aufgeslipt wird ist die "La Paloma".
Im August herrscht grosse Freude auf der Werft, vier der in Hamburg bei Sielaff für die deutsche Olympiamannschaft gebauten Kajaks gewinnen Medallien: 2x Gold, 1x Silber, 1x Bronze - auf der Werft wird "über die Toppen geflaggt".

1937 - Der Fischkutterbau wird wieder aufgenommen, am 09.06. läuft der Kutter "Momme Friedrich" vom Stapel.

1938 - Das Polizeiboot "Uwe-Jens Lornsen" läuft vom Stapel und wird in Dienst gestellt, außerdem wird ein Motorboot für die deutsche Luftwaffe gebaut. Die Liegeplätze im Büsumer Hafen reichen nicht mehr aus, daher wird mit jetzt mit der Erweiterung des Hafens, sowie dem Bau der Ost-, und Westmole, sowie der Schleuse begonnen, bereits zu diesem Zeitpunkt war die Verlegung der Werft in das Hafenbecken III geplant - aufgrund des Krieges werden einzelne Baumassnahmen begonnen, können allerdings nicht im ganzen Umfang ausgeführt werden.


1939-1945 - Der in Spanten stehende Neubau Nr. 36 wird stillgelegt, die Büsumer-Schiffswerft W.&E. Sielaff wird zum Wehrwirtschaftsbetrieb für Fischerei erklärt, kurz darauf wird aus ihr ein Rüstungsbetrieb für die Wehrmacht.
Nach dem Bau einiger Torpedo-Transportschuten werden - inzwischen ist die Werft als Rüstungsbetrieb für Geheimaufträge ausgewiesen - in den ersten Kriegsjahren U-Boot Türme des Typs VII.B, später X.21 gefertigt und an Blohm&Voss in Hamburg angeliefert (Anmerkung: Hierzu gibt es unterschiedliche Aussagen - die U-Boot Türme könnten auch an die Stülken Werft geliefert worden sein).
Die Türme werden mit Chrom-Nickel Elektroden von russischen Kriegsgefangenen geschweisst (eine Elektrode kostet 1,20 RM!).
Ausser den ca. 100 U-Boot Türmen wird eine schwimmende Ladestation für U-Boot Batterien (schon auf der Überfahrt von Helgoland zum Jadebusen versenkt!) und ein Werkstattponton für Schnellboote gebaut. Die Belegschaft setzt sich aus 32 Deutschen und 50 Kriegsgefangenen (Russen, Franzosen, Belgier) zusammen.

1945-1946 - Der Fischkutter mit der Baunummer 36 wird auf eigene Rechnung aus noch vorhandenen Materialien fertiggestellt und nach Hamburg verkauft.
Es werden 4 weitere Kutter für Büsumer Fischer gebaut, darunter ein sogenannter Wiedergutmachungskutter. Ausserdem werden aus Materialabfällen Brennhexen hergestellt, die von der Gemeinde gegen Bezugsscheine ausgegeben werden. Für diese Bezugsscheine bekommt die Werft wiederum Eisenscheine und somit den nötigen Stahl.

1947 - Das Zeitalter des Stahlschiffbaus beginnt nun endgülitg in Büsum. 3 Stahlfischkutter, unter ihnen der bis Ende der 80er Jahre in Dienst stehende "Seefalke", werden gebaut.

1949 - Nach Aufhebung der durch die Alliierten auferlegten Beschränkungen für den deutschen Schiffbau, wird erstmalig ein Küstenmotorschiff (Bau Nr. 152) auf Kiel gelegt. Dieser erste Kümo "Gretchen Vollmers" läuft am 15.04.1950 vom Stapel.


1953 - Am 25.04 wählt die Belegschaft zum ersten Mal einen Betriebsratsvorsitzenden - Gustav Gierke - 23 Jahre lang vertritt er die Interessen der Werftmitarbeiter.
Die Ausrüstung der Neubauten findet inzwischen an der Pier im Hafenbecken III statt.

1954 wird ein Kanadisches Küstenwachboot - ein Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg - umgebaut und an den Bundesgrenzschutz abgeliefert. Als Betriebsleiter wird Hr. Ternow eingesetzt, die Belegschaft besteht mittlerweile aus rund 90 Personen.

1956 - Ein neuer Betriebsleiter, Hr. Johannsen, wird eingestellt, die Belegschaft ist inzwischen auf 120 Personen angewachsen. Im Zuge des Gesamthafenausbaus soll die Werft an den Kopf des Hafenbeckens III (dem endgültigen Standort) verlegt werden.

1957 wird der Bau des neuen Werftgeländes abgeschlossen, am 20.11.1957 ist das Richtfest und am 05.12.1957 findet die Einweihung des neuen Betriebes statt. Die Belegschaft hat mittlerweile eine Stärke von 200 Personen erreicht.


1959 - Zum ersten Mal seit langer Zeit muss die Belegschaft abgebaut werden - 160 Personen bleiben auf der Werft in Lohn, trotzdem wird die Slipanlage um 12 Meter verlängert - Schiffe von 80 Metern Länge und 7 Metern Tiefgang können nun aufgeslipt werden.

1960 - Auf der Slipanlage werden die ersten grösseren Reparaturen durchgeführt, der norwegische Frachter "Jolita" wird erhöht, die im Vorjahr in Büsum gebaute "Brigitte Gräbe" wird um 6,50 Meter verlängert und der Frachter "Karl Koltz" zu einem Torpedoversuchsschiff für die Bundesmarine umgebaut.

Ausserdem läuft am 30. September das erste und einzige Fahrgastschiff "Amrum" vom Stapel. Für dieses Schiff übernahm die Gemeinde Büsum eine Patenschaft, als Dank für die Aufnahme der Büsumer Fischer auf Amrum.

1961 - Am 14.04. feiert die Büsumer-Schiffswerft W.&E. Sielaff ihr 25 jähriges Jubiläum.


1961 - Im Juli wird die "Graeko", das erste über 1000 tdw grosse Frachtschiff abgeliefert. Insgesamt läuft der Betrieb auf voller Leistung.

1963 - Nachdem die "Rugia" vom Stapel gelaufen ist, sind die Mienen der Werftarbeiter nicht sehr fröhlich, die "fetten 50er Jahre" sind vorbei, der Bedarf der deutschen Reeder an Schiffen ist vorerst gedeckt. Während der letzten Jahre herrschte ein starker Konkurrenzkampf unter den Werften, der Ausbau der Werft hat viel Geld verschlungen, Rücklagen konnten kaum gebildet werden. Als dann in den Wintermonaten Kurzarbeit eingeführt werden musste, geriet die Werft in ernste Schwierigkeiten. Selbst ein Konkurs scheint nicht ausgeschlossen. Da das Ehepaar Sielaff keine direkten Nachkommen hat, wird ein Verkauf der Werft ins Auge gefasst.

Am 01.10. übernahm der Hamburger Reeder und Werftbesitzer Alnwick Harmstorf die Büsumer-Schiffswerft W.&E. Sielaff.

Die Büsumer Werft GmbH - 1963- 1986

1963 wird aus der Büsumer-Schiffswerft W.&E. Sielaff die Büsumer Werft GmbH.

Hr. Dobrilof wird kommissarisch als Betriebsleiter eingesetzt, vorhandene Aufträge werden abgeschlossen und die Schiffe den Eignern übergeben. Das letzte Schiff aus der Sielaff Ära, die "Rugia" wird am 29.11. abgeliefert. Um aber die Arbeitsplätze der inzwischen nur noch 93 Personen zählenden Belegschaft zu retten, gibt die Reederei Harmstorf unverzüglich einen modernen Küstentanker in Auftrag.
Alnwick Harmstorf, seine Familie betrieb die Reederei bereits seit 1870, hatte 1953 die bis dahin kleine Schlichting-Werft in Travemünde gekauft. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden dort überwiegend kleinere Boote gebaut. Unter der Leitung von A. F. Harmstorf, wurde daraus schnell eine bedeutende Stahlschiffswerft, die Schiffe bis über 22.000 tdw baute. Die Reederei bewirtschaftete Trockenfracht- und Tankschiffe, die nach den Elbsänden benannt sind und alle auf ...sand enden.
Zunächst wurde eine generelle Umstrukturierung der Werft vorgenommen. Da die Schlichting Werft über alle notwendigen Abteilungen verfügte (Projektabteilung, Konstruktionsabteilung, Aquisitionsabteilung, Einkaufsabteilung), wurden diese Abteilungen in Büsum geschlossen und aus der Büsumer Werft GmbH wurde ein reiner Fertigungsbetrieb, der alle zum Bau eines Schiffes nötigen Unterlagen aus Travemünde erhielt - lediglich kleinerer Änderungen wurden in Büsum selbst durchgeführt.


1964 - Am 01.07. übernahm Schiffbauingenieur Herwig Mohr die Betriebsleitung der Werft. Die Fertigstellung des Tankschiffes erweist sich schwieriger als gedacht, doch mit Unterstützung aus Travemünde wird die "Yorksand" fertiggestellt. Aufgrund der Entwicklung im Schiffbau musste man sich nun entschliessen, entweder weiterhin Kümos zu bauen, oder in den "Großschiffbau" einzusteigen. Da die ersten grösseren Kümos kontraktiert werden konnten, entscheidet man sich für den Ausbau und die Modernisierung der Werft.
Als erstes wird eine automatische 1:10 Brennschneidmaschine "Sicomat" angeschafft, die im Vorjahr aus dem Konkurs der Hamburger Schlieker Werft gekauft wurde. Es folgt eine Furnierpresse für die Tischlerei, sowie das äusserlich auffälligste Merkmal: ein 25 Tonnen tragender Kampnagel Kran, gekauft von der "AG Weser".

Am Ende des Jahres zählt die Belegschaft bereits wieder 136 Mitarbeiter.


Nachdem mit dem Kran ein leistungsfähiges Hebezeug bereitsteht, wird auf der Büsumer Werft GmbH die Sektionsbauweise eingeführt: In der witterungsunabhängigen Vormontagehalle werden komplette Volumensektionen mit einer maximialen Masse bis zu 25 Tonnen gebaut, die dann auf der Helling Stück für Stück zusammengesetzt werden.
Als "Premiere" dieser Bauweise wird der Aufbau mit Schornstein des Kümos "Beate" montiert.

Ein Portalkran, der bei der Schlichting Werft in Travemünde verschrottet werden sollte wird überholt und dient in Büsum als Lagerkran für Plattenmaterial sowie Profile aller Art - er wird später durch einen moderneren Portalkran ersetzt.
Inzwischen zählt die Belegschaft 167 Mitarbeiter, 145 Arbeiter, 9 Lehrlinge und 13 Angestellte. Der Stundenlohn beträgt 3,56 DM und der Reparaturstundensatz 10,- DM.
Elektromeister H. Bornemann feiert 1964 sein 25 jähriges Betriebsjubiläum. Ausserdem wird die Vormontaghalle fertiggestellt, eine Gas- und Sauerstoffstation errichtet und eine 160 to Hydraulikpresse von der Schlichting Werft montiert - mit ihr werden zukünftig Plattenmaterialien vorgeformt.
Ferner wird die Pförtnerei abgebrochen und ein neues Gebäude mit einer neuen Zufahrt zur Materialanlieferung errichtet.
In diesem Jahr werden die ersten "Werftwohnungen" in der Otto-Johannsen-Strasse errichtet.


1966 - Der Versuch Kümo Reparaturen und Garantiearbeiten durchzuführen misslingt: Beim Aufslipen der "Leopard" brechen 4 von 5 Trossen, das Schiff rutscht einige Meter ins Hafenbecken zurück und bleibt auf halbem Weg stehen. Weder durch ziehen, noch durch drücken lässt sich das Schiff bewegen - bei Niedrigwasser wird die Situation begutachtet: vier der Ablaufwagen sind aus den Schienen gesprungen und haben die Fundamentbalken völlig zerstört. Nach Tag und Nachtarbeit während der Niedrigwasserzeit werden im vorderen Bereich Ablaufbahnen mit Schlitten unter das Schiff gebaut. Um das Schiff auf diese Bahnen absetzen zu können, werden die Hölzer auf den entgleisten Slipwagen weggesprengt. Nach 10 Arbeitstagen schwimmt "Leopard" wieder - aus der Reparatur jedoch wird nichts. Die beschädigten Planken und Ablaufbahnen werden repariert und gleichzeitig durch zusätzliche Flachgründungen für grössere Belastungen verstärkt.
Der Belegschaftsstand beträgt: 184 Arbeiter, 15 Lehrlinge, 13 Angestellte.
In diesem Jahr feiert der Schiffszimmermann H. Möller sein 30 jähriges Betriebsjubiläum.

1967 - ab jetzt konzentriert sich die Werft auf hochwertige, grössere Schiffe. Kümos mit denen man jahrelang in Büsum Geld verdiente werden nicht mehr gebaut.
Das erste Ro/Ro Schiff "Arcturus" läuft in Büsum vom Stapel.


1968 geht als das "Kühlschiffjahr" in die Chronik der Werft ein. 4 Kühlschiffe für dänische Reeder werden in Büsum gebaut - einer der Reeder "Nils Blaesbjerg" wird in den folgenden Jahren Stammkunde in Büsum.
Inzwischen geht der Trend in Büsum unverkennbar zum "grossen Schiff", die Kühlschiffe haben immerhin eine Länge von 75 Metern. Allerdings ist dem Großschiffbau das Tor zum Meer zu klein - sprich eine neue Schleuse wäre aus Sicht der Werft dringend erforderlich um mit anderen Werften mithalten zu können. Die Werft weist in einem entsprechendem Schreiben an die Gemeinde auf das Problem hin und zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten der Werft nach dem Bau einer neuen Kammerschleuse. Die Gemeinde wurde zwar bei der Landesregierung vorstellig, dorch der damalige Wirtschaftsminister Knudsen (selbst Reeder) lehnte den Bau der Schleuse ab - die Bundesregierung glaubte nach seiner Ansicht nicht, das die Wirtschaftskraft der Westküste dadurch wesentlich verstärkt würde.


1969 - Ungeachtet des Neins aus Kiel wird auf der Werft Um- und Ausgebaut: Es entsteht ein Gebäudekomplex mit einem Trakt Maschinenbau / mechanische Bearbeitung / Rohr - und Schiffschlosserei, sowie eine Trakt für Lager / Magazin / Werkstatt für die Instandhaltung und Werkzeugausgabe. In der oberen Etage werden Räume für die Lehrlingsausbildung, Bauaufsicht, Reederei und Fremdfirmen geschaffen.
Ende des Jahres wird ein Ausrüstungskran vor diesem Gebäudekomplex in Betrieb genommen, er kann 8 Tonnen heben. Ein Besuch des inzwischen amtierenden Wirtschaftsministers Gaul lässt neue Hoffnung bezüglich der Schleuse aufkommen - er stellt eine baldige Entscheidung in Aussicht.
Die Werft ist voll ausgelastet und benötigt dringend Arbeitskräfte - die ersten Fremdarbeiter aus der Türkei werden eingestellt.
Nach langjähriger Pause wird in diesem Jahr wieder ein Betriebsfest durchgeführt.

1970 - Das erste Containerschiff "Tropic Eve" verlässt Büsum, ebenso wird der erste Schwerlastfrachter "Unit Scan" abgeliefert.


1971 - Die Büsumer Werft GmbH liefert zum ersten Mal Schiffe nach Island.

In Kiel gibt es zwar einen neuen Wirtschaftsminister (Hr. Narjes), bezüglich der Schleuse hat sich aber noch nichts getan.
Im Lager wird ein neuer 5 to. Portalkran aufgestellt und ein Platten- und Profillager eingerichtet. Inzwischen ist die Bearbeitungshalle zu klein geworden, eine neue Brennhalle wird in direkter Verlängerung der alten Halle angebaut. Für die Beschickung der Hallen werden Rollbahnen installiert.
Außerdem werden die Häuser der ehemaligen Fischmehlfabrik angekauft. Das kleinere wird zu einem Fremdarbeiterwohnheim umgebaut.

1972 findet erstmalig eine Weihnachtsfeier für die Rentner der Werft statt.
Als neuer Betriebsratsvorsitzender löst Werner Wilms Gustav Gierke ab - er hat 23 Jahre lang die Interessen der Belegschaft vertreten.


1973 werden drei Frachter eines neuen Typs abgeliefert, bei einer Vermessung von 1399 BRT tragen diese Schiffe 3600 Tonnen, sind 80,5 Meter lang und 13,6 Meter breit (die Schleuse ist 13,7 Meter breit !). Dieser neue Typ bewährt sich und es gibt eine grosse Nachfrage nach diesen Schiffen. Weitere Schiffe mit 1599 BRT und 4200 tdw grösser als die Vorgänger stellen die Werft vor ein neues Problem: die vorhandene Slipanlage reicht für diese Schiffe nicht aus. Eine Vergrösserung der alten Helling scheidet bei den schlechten Bodenverhältnissen aus Kostengründen aus. Für geringe Mehrkosten wird daher die neue Helling gebaut.


1974 - Am 30.01. findet der erste Stapellauf von der neuen Helling statt. Statt die Schiffe wie bislang auf Wagen langsam in ihr neues Element zu überführen, werden sie hier auf einer schiefen Ebene aufgelegt und rutschen von dieser schiefen Ebene herunter. Am Ende der Ablaufbahn fallen sie ins Wasser. Leider gibt es bereits beim zweiten Stapellauf einen Unfall, das Frachtschiff "Mercandian Sea" reisst sich aufgrund starken Ostwindes nach dem Stapellauf los und verkeilt sich im Hafenbecken. Menschen kommen glücklicherweise nicht zu Schaden, aber das Ruderblatt des Schiffs, ein Kümo und Teile der Pier werden beschädigt. Der Kümo wird ebenso auf eigene Kosten repariert, wie das Schiff. Trotz dieses Zwischenfalls wird die "Mercandian Sea" rechtzeitig abgeliefert. 

In diesem Jahr werden die ersten Produktentanker gebaut.

1975 - Eine zusätzliche 1:10 Brennschneidmaschine "Omnimat" wird angeschafft, man wollte sich nicht nur auf die Maschine aus dem Jahr 1958 verlassen.
Peter Müller wird neuer Betriebsleiter.


Am 29.04.1975 teilt Staatssekretär Nebel mit, dass die Landesregierung den Bau der neuen Schleuse aufgrund zu hoher Kosten (insgesamt 134 Millionen DM) abgelehnt hat. Der von der Landesregierung angegebene Preis wird als viel zu hoch angesehen, daher wird von Büsumer Seite aus die Firma Philip Holzmann beauftragt, einen verbindlichen Preis für das Sperrwerk zu errechnen. Als Ergebnis präsentiert die Firmengruppe Holzmann/Griese einen Vorschlag, der ein Sturmflutsperrwerk vor der Schleuse vorsieht, damit könnte auf kostensparende Weise die Schleuse auf eine Breite von 22 Meter verbreitert werden.

1977 - Nach zehnjährigen Bemühungen der Büsumer Werft GmbH und der Gemeindevertretung wird endlich "grünes Licht" zum Bau der Schleuse gegeben. Allerdings wirft jetzt die Werftenkrise ihre Schatten voraus, aufgrund der Ölkrise 1973 ist der Tankermarkt zusammengebrochen, der später dann auch die Massengutfrachter mit sich zog.

Am 01.10.1977 wurde aber erst einmal das 75 jährige Bestehen der Werft gefeiert. 3500 Besucher besichtigen die Werft inklusive des fast fertig ausgerüsteten Neubaus "Mercandian Moon".

1978 - Die Werftenkrise ist jetzt unübersehbar. Die 5 Weintanker, die in Büsum gebaut werden sollten, werden wegen fehlender Aufträge bei der Schlichting Werft gebaut. Als Ausgleich für die fehlenden Aufträge bestellt die Harmstorf Reederei 4 Kühlschiffe. Die Kühlschiffe können verkauft werden, so dass weitere 2 Kühlschiffe des gleichen Typs, sowie ein grösseres Schiff von der Harmstorf Reederei in Auftrag gegeben werden. Insgesamt kann die Werft damit zu 80% ausgelastet werden.

1979 - Trotz allen Engagements muss für das erste Quartal Kurzarbeit angemeldet werden.


In diesem Jahr greift man eine alte Tradition auf: auf der Büsumer Werft GmbH wird ein völlig neukonzipierter Kutter für den Büsumer Fischermeister Alfred Krippner gebaut.
Dieses Schiff unterscheidet sich deutlich von anderen Fischkuttern. Das Ruderhaus wird auf das Vorschiff verlegt, so das darunter ein geschütztes Arbeitsdeck entsteht. Mit wenig Aufwand kann der Kutter vom Krabbenfang zum Fang von Frischfisch (Heckfänger) umgerüstet werden. Trotz aller Innovation und Qualität bleiben weitere Bestellungen dieses Typs aus.


1980 - Wieder einmal beweisen die Büsumer Schiffbauer, dass sie wahre Spezialisten sind. Die zum damaligen Zeitpunkt einmaligen Müllverbrennungsschiffe "Jeddah 19" und "Dammam 30" werden in Büsum gebaut. Sie sollen die ständig steigende Verschmutzung in den saudiarabischen Häfen Jeddah und Dammam eindämmen. Die Schiffe sind mit einem Ladekran ausgestattet, mit dem der Müll in einen Zerkleinerer geladen und von dort mit einem Spezialförderband in die Müllverbrennungsanlage transportiert wird. Für diese Schiffe wird zum ersten Mal in Büsum ein besonderer Schiffsantrieb eingesetzt. Die Müllverbrennungsschiffe werden durch 2 Schottel-Ruderpropeller angetrieben, die den Schiffen eine exzellente Manövrierfähigkeit beschert.
Zusätzlich zu den Müllverbrennungsschiffen entstehen in Spandau bei den ebenfalls zum Harmstorf Konzern gehörenden Deutsche Industriewerke Berlin, zwei Müllsammelschiffe, die sowohl festen, als auch flüssigen Unrat aus dem Wasser fischen und an die Müllverbrennungsschiffe übergeben.

1982 - Endlich ist es soweit: Die neue Schleuse kann in Betrieb genommen werden, ein Ereignis, dass man kaum abwarten konnte, wurde doch in Travemünde bei der Schlichting Werft ein 16 Millionen DM teures, 110 Meter langes Schwimmdock für die Büsumer Werft gebaut, um die Kapazität zu erhöhen und in das Reparaturgeschäft einzusteigen.
Trotz der neuen, breiteren Schleuse konnte das Dock nur in zwei Hälften in den Hafen gebracht werden, wo es dann, teilweise sogar unter Wasser, zusammengeschweisst wurde. Das Dock kann Schiffe bis 4000 Tonnen Eigengewicht heben, das entspricht etwa einer Tragfähigkeit von 10.000 tdw. Diese Schiffsgrösse kann dank der neuen Schleuse noch gerade in den Büsumer Hafen einlaufen. Mit der Indienststellung des Docks wurden 57 neue Arbeitsplätze geschaffen und die häufigen Docktage zeigen, dass die Investitionsentscheidung in das Dock auf jeden Fall richtig war.


Am 06.11.1982 ist wieder einmal ein Tag der offenen Tür, bei dem die Bevölkerung das neue Dock, sowie viele Verbesserungen besichtigen konnte.
Inzwischen hatte die Werft mit dem 60 Tonnen Kran an der Helling ein neues "Wahrzeichen" erhalten, dass den alten 25 Tonnen Kampnagel Kran erst entlastet und später überflüssig macht.
Im Oktober wird die neue Schleuse offiziell in Betrieb genommen, gerade rechtzeitig, denn die Werft nimmt die beiden grössten in Büsum gebauten Schiffe in Auftrag. Diese Schiffe mit je 6000 tdw haben eine Länge von 104 Metern und eine Breite von 18 Metern.

1983 - seit dem Frühjahr führte Dipl.-Ing. Jochen Kuhtz die Werft, die wieder einmal ein neues Typschiff einführt, ein mittelgrosses Semicontainerschiff, dass sowohl Container, als auch Stück- und Schüttgut transportieren kann.


1985/1986 - Bis kurz vor dem "Aus" zeigen die Büsumer Schiffbauer noch einmal all ihr Können. Mehrere Schiffe werden in Büsum teilweise im Dock, teilweise an Land liegend verlängert. Doch alle Mühen und alles Können der Mitarbeiter der Büsumer Werft GmbH können die Schliessung der Werft nicht verhindern.

Am 30. September endet um 15:30 h die letzte Schicht auf der Büsumer Werft, nachdem der Mutterkonzern einen Vergleich beantragt hat. Die Büsumer Werft und auch die Schlichting Werft in Travemünde werden daraufhin "abgewickelt".

SOMIT GEHEN 85 JAHRE SCHIFFBAUTRADITION IN BÜSUM ZU ENDE.

1987 Versucht die Timm Metall- und Schweisstechnik die Werftätigkeit auf dem Gelände der  Büsumer Werft wiederzubeleben - allerdings ohne Erfolg. Auch ein neuerlich nach Büsum verbrachtes Dock kann nicht helfen.

Heute findet man in Büsum noch zwei Betriebe mit Werfttätigkeit. Die Werft von Reimer Landberg hat sich auf Reparatur und Umbau hauptsächlich von Holzschiffen aller Art spezialisiert und Fa. Mascheider kann mit einer Slipanlage (die übrigens in Teilen aus einer Anlage der Schlichting Werft Travemünde, quasi die "Mutterwerft" der Büsumer Werft, besteht) kleinere Einheiten zu Reparatur- und Malerarbeiten aufslipen.


Danksagung und Quellenangabe:

Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Ingrid Mohr, die mir ihre umfangreiche Chronik der Büsumer Werft zur Verfügung gestellt hat, aus der wesentliche Teile hier eingeflossen sind.

Ferner habe ich die Artikel "Die Industrieserie: Büsumer Werft" der Dithmarscher Landeszeitung, die Buchreihe "Büsum - Hafen und Fischerei" von Kurt Winter, sowie Aufzeichnungen des Amtsarchivs Büsum zu Hilfe genommen.